Verhaltensbeobachtung in der Exploration beinhaltet z. B. körperliche Anzeichen von Substanzkonsum, Blickverhalten, übermäßige Anspannung, Widerstand udgl. Hierbei besteht die Gefahr von klassischen Testleitereffekten, die durch bestimmte Erwartungshaltungen des Diagnostikers und der Diagnostikerin gekennzeichnet sind und bei ungenügender Reflektion zu Verzerrungen führen können.
Die Exploration als diagnostische Methode dient der Untersuchung von Persönlichkeitseigenschaften, Interessen, Werthaltungen, Einstellungen, Problemen und Denkweisen der Person. In der Exploration können aufgrund der hohen Anforderung an die verbale Kompetenz des und der Begutachtenden, der unterschiedlichen Befragungstechnik sowie angesichts möglicher Übertragungsphänomene, Störfaktoren (z. B. Suggestionen) auftreten, wodurch die Daten subjektiv gefärbt werden können. Aussagen über ein problematisches Trinkverhalten, stabile Veränderungen, etc. werden letztendlich durch das Explorationsgespräch erfasst, sollten aber durch Testergebnisse weiter abgesichert werden.
Persönlichkeitsverfahren sollen nicht die Exploration ersetzen und können dies auch nicht. Sie sind jedoch ein unverzichtbares Instrument um…
- weitere für den Begutachtungsprozess relevante Informationen zu gewinnen
- etwaige subjektive Verzerrungen in der Exploration festzustellen
- die Angaben aus der Exploration hinsichtlich Konsistenz oder Widersprüchlichkeit zu überprüfen
- Anhaltspunkte für tiefergehende begutachtungsrelevante Explorationsthemen zu geben.
Die meisten Testverfahren zur Erfassung verkehrsrelevanter Persönlichkeitsdimensionen sind klassische Fragebögen. Diese stehen im Ruf, leicht verfäschbar zu sein.
Moderne Persönlichkeitsfragebögen sind methodisch jedoch so weit entwickelt, dass Verfälschungstendenzen entweder von vornherein so gering wie möglich gehalten werden können oder alternativ sichtbar gemacht werden können. Falls Verfäschungstendenzen festgestellt werden, gibt das dem Diagnostiker wertvolle Hinweise: Mit Persönlichkeitsfragebögen wird das Selbstbild eines Menschen erfasst und zwar aufgrund jener Informationen, die er von sich preisgibt. Bei auftretenden Verfälschungstendenzen sollte der begutachtende Psychologe und die begutachtenden Psychologin zwischen impression management und self deception unterscheiden. Während impression management auf die Tendenz abzielt, ein sozial erwünschtes Bild zu erzeugen, geht es bei self-deception um eine verzerrte, aber subjektiv für richtig gehaltene Selbsteinschätzung (Paulhus, 1991; Verkasalo & Lindeman, 1994). Extrem vereinfacht würden sich diese Aspekte in unserem Beispiel mit Kevin folgendermaßen auswirken: 1) Kevin weiß, dass er gern mal zu schnell fährt, gibt aber bewusst an, dass die Geschwindigkeitsübertretung ein einmaliges Ereignis gewesen sei, weil er weiß, dass dies ein unerwünschtes Verhalten ist, und er kein schlechtes Bild von sich geben möchte (impression managment). 2) Kevin ist sich aufgrund einer inneren Schutzfunktion nicht bewusst, dass die gezeigte Geschwindigkeitsübertretung kein Einzelfallereignis ist, und negiert aus diesen Gründen weitere Delikte nicht normgerechten Verhaltens (self-deception).
Diese Informationen können sich im Begutachtungsprozess als wertvoll erweisen, einerseits für die Bewertung der Testergebnisse, aber auch für die Fortführung der Exploration bzw. Nachexploration.
Psychologen und Psychologinnen können so im Begutachtungsprozess über die Integration der unterschiedlichen Informationsquellen (Exploration, Verhaltensbeobachtung, Aktenanalysen, Testergebnisse) in Kombination mit ihrem Expertenwissen über das menschliche Verhalten, zu einer bestmöglichen Aussage über Ausprägung und Relevanz der verkehrssicherheitsrelevanten Persönlichkeitseigenschaften gelangen. Aufgrund der für das Klientel massiven rechtlichen und auch persönlichen Konsequenzen der Begutachtung bezüglich der Fahreignung, ist eine bestmögliche Absicherung der Beurteilung über valide Persönlichkeitsverfahren wie beispielsweise IVPE-R, KEKS oder VIP von besonderer Wichtigkeit.